This is a show, if you couldn’t tell

Aaaah ja, „Show, don‘t tell“. Es gibt kaum eine Schreibregel, die so oft zitiert, vorgekaut, ausgewürgt und Neulingen im Schreiben an den Kopf geworfen wurde. Manche lehnen das Konzept rundheraus ab, weil es zu oft für schlechte Tipps missbraucht wurde, in etwa wie Yoga oder ketogene Ernährung. Aber alle benutzen sowohl das „Show“ als auch das „Tell“ ständig und meistens recht ausführlich in ihren Werken.

Was zum Teufel heißt „Show, don‘t tell“?

Strikt übersetzt ins Deutsche ist die Aufforderung: „Zeige es, erzähl nicht nur darüber.“ Im wahren Leben ist dieser Satz öfter mit einer gewissen Ungläubigkeit oder großem Interesse verbunden („Dein Penis ist wie groß, bitte?!“) und meistens leicht aufzuklären („Moment, ich habe ein Video!“). Im schriftstellerischen Kontext wiederum bezieht es sich weniger auf das materielle Zeigen eines Objektes, sondern eine Schreibtechnik, die einen Zusammenhang herleitet und darstellt, statt ihn nur zu behaupten.

Betrachten wir ein Beispiel, um schnell und einfach zu erkennen, was Präsentieren und was Erzählen voneinander unterscheidet.

Erzählung:
Walter war sehr in Monika verliebt und wollte sie dringend heiraten.

Präsentation:
Walter griff Monika um die Hüfte, umarmte sie zärtlich und küsste ihr Haar. „Na, meine Hübsche?“, fragte er. „Wie war dein Tag heute?“
„Ein bisschen stressig. Und bei dir?“
„Ich habe mich umgesehen und den absolut perfekten Ort für unsere Hochzeit gefunden. Eine kleine Kapelle, mitten im Wald. Und sie ist schon in zwei Wochen frei! Was meinst du, das wäre doch ideal, oder?“

Wie wir sehen, können wir aus beiden Abschnitten (in etwa) die gleiche Bedeutung ableiten:
– Walter liebt Monika
– Walter will sie bald heiraten

Wir sehen auch direkt die Stärken und die Schwächen beider Formen.

Eine Erzählung

  • ist kurz
  • ist präzise
  • übermittelt Fakten auf direktem Weg
  •  übermittelt aber nur absolut nötigen Inhalt
  •  übermittelt meist weniger Stimmung

Eine Präsentation

  • ist ausschweifender
  • impliziert Fakten durch Zusammenhänge
  • übermittelt Stimmungen leichter
  • übermittelt einfacher komplexe Sachverhalte
  • ist in der Deutung schwammiger

Nur „Show“, niemals „Tell“?

Sicher hat jede:r Autor:in dieses Beispiel angesehen und gedacht: „Ich habe einen solchen Sachverhalt schon auf die eine und auf die andere Art geschrieben! Und eine Präsentation soll jetzt immer besser sein?“
Worauf die Antwort ein klares „Nein!“ ist. Wie man sieht, habe ich für beide Beispiele positive und negative Kriterien aufgeführt. Eine Geschichte befindet sich meistens in einer spezifischen Balance zwischen Erzählung und Präsentation, wobei einige Autor:innen mehr zur einen, manche mehr zur anderen Ausprägung schwenken. Ein „richtiges Maß“ gibt es nicht. Stattdessen ergibt sich die Balance meist natürlich aus dem Stil der Autor:innen. Aber man kann mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass es keine Autor:innen gibt, die nur eines dieser Mittel benutzen. In der Regel macht das nämlich die Geschichten unlesbar.

Man stelle sich vor: Eine Geschichte, die jede Behauptung erst belegen und erklären muss, die nur Präsentation statt Erzählung ist!

Samuel aß einen Toast und machte sich dann auf den Weg zu Maria.

(Achtung, Sarkasmus:) Gar keine Präsentation der Gegebenheiten! Die Erzählung behauptet einfach, dass Samuel den Toast gegessen hat! Aber was waren seine Emotionen, wie hat er sich gefühlt?! Was hat ihn im tiefsten Inneren bewegt, als er diesen Toast aß? Wie kam er überhaupt an den Toast? Moment, das können wir doch, ähem, „viel besser“!

Samuel sah auf seine Uhr, die ihm 14:45 Uhr anzeigte. Sein Magen knurrte. Er überlegte lange, was er essen sollte, sein Magen reißend, leer wie die Stille des Universums. Er durchstöberte alle Schränke, und fand: Toast! Nun, wie sollte man diesen Toast belegen? Samuel öffnete vorsichtig den Kühlschrank, betrachtete diverse Verpackungen mit Aufschnitt, die er im Laufe der Woche in einem Supermarkt erworben hatte. Sein Herz rief ihm zu, den Emmentaler zu nehmen. Emmentaler, den hatte er als Kind bei seiner Oma immer gern gegessen. Er erinnerte sich noch, wie sie ihm ein Brot mit Käse in sein kleines Baumhaus gebracht hatte, das-

Wird Samuel den Toast jemals essen? Bleiben Sie dran für die spannende Fortsetzung von „Das Toastdilemma“! Oder eben nicht, weil es keinen Mensch interessiert, welche Emotionen Samuel nun ausgerechnet mit Emmentaler verbindet. Wir hätten gern gewusst, welche Emotionen Samuel mit dem zweiten Hauptcharakter verbinden.

Aber was meint dann „Show, don‘t tell“, wenn diese Form der ausschweifenden Erzählung doch gar nicht besser ist? Nun, wir haben festgestellt, dass eine Präsentation nicht per se besser ist. Aber! Es gibt sehr spezifische Anwendungsfälle, in denen dieser Tipp tatsächlich seine Berechtigung hat. Es ist wichtig, den richtigen Abschnitten einer Handlung die ausführlichen Beschreibungen zukommen zu lassen.

Die häufigsten „Show, don‘t tell“-Verwendungen

Erkläre uns Emotionen nicht, beschreibe sie

Es kommt oft genug vor, dass vor allem Anfänger:innen im Bereich Schreiben sehr große Abschnitte der Handlung sofort abhandeln und nicht beschreiben.

Janine nahm sich ein Auto. Sie fuhr auf die Autobahn und direkt zu Thorsten. Sie hasste ihn sehr, und er würde für seine Verbrechen bezahlen. Janine parkte vor seinem Haus und nahm die Maschinenpistole aus dem Kofferraum.

Wie wir hier sehen, sagt uns dieser Abschnitt nicht genug darüber, wie Janine fühlt. Gut, sie ist anscheinend wütend auf Thorsten, aber wir bekommen kein Gefühl für diese Wut. Schimpft und flucht sie, während sie über die Autobahn fährt? Rast sie? Sieht sie vor dem geistigen Auge schon Thorstens entsetztes Gesicht? In einem solchen Abschnitt wäre „Show, don‘t tell“ vermutlich ein Ratschlag, den man anwenden könnte. Sagen würde er: Zeig uns, auf welche Art Janine wütend ist! Gib ihrer Art dieser spezifischen Emotion ein Gesicht!

Was an dieser Stelle wiederum überflüssig und keine gute Präsentation wäre: Schreiben, wie Janine die Maschinenpistole einpackt. Wie sie auf die Autobahn fährt. An der Raststätte aufs Klo geht. Ein Snickers kauft. Zurück auf die Autobahn fährt. Welche Ausfahrten sie nimmt.

In diesem Moment interessiert uns ein spezifischer Teil, den die Handlung offensichtlich zeigen möchte: Janines Vendetta. Deshalb verbleibt ihre Reise im Auto auch fest in der Erzählung, statt der Präsentation.

Erzähle die Action nicht nach, beschreibe sie

Eine weitere Verwendung findet man, wenn Charaktere nachträglich eine bestimmte Handlung, die die Leser:innen nicht mitbekommen konnten, wiedergeben. Sehen wir uns diese Szene an, die daran anschließt, dass Mimi gemütlich auf dem Sofa saß und Kakao trank.

Max kam blutverschmiert zur Tür herein.
„Was ist passiert?“, rief Mimi und sprang vom Sofa auf.
„Wir sind in einen Hinterhalt geraten“, murmelte Max. Xie humpelte ins Bad.
„Oh nein! Soll ich dir helfen?“
„Ich bin okay. Ich hab sie abgehängt, ich musste durch die halbe Stadt dafür. Ich hab mich von dem Hochhaus, in dem der Deal stattfand, abgeseilt und bin dann durch die U-Bahn-Schächte geklettert. Leider hat es Bob dabei erwischt.“
„Mein armes! Komm, ich mache dir auch einen Kakao!“, sagte Mimi, und sie setzten sich wieder auf das Sofa.

Immer wieder treffe ich auf Geschichten, in denen die spannenden Sachen offenbar all den anderen Leuten passieren. Die Protagonist:innen sind immer zufällig gerade woanders, wenn jemand erschossen wird, Verfolgungsjagden stattfinden oder ein Einbruch stattfindet. Die Leser:innen nehmen an diesen Ereignissen nicht teil und bekommen sie, kurz zusammengefasst im Zeitungsstil, von anderen Charakteren erklärt. Oder schlimmer noch, die Erzählposition selbst fasst kurz all die Details der Handlung zusammen, die wir verpasst haben. Gern auch verwendet als „Deus ex machina“, also als von außen künstlich herbeigeführte Lösung, um Plotlöcher schnell zu schließen.

In diesem Fall steht „Show, don‘t tell“ offensichtlich dafür, Actionszenen nicht nur nachzuerzählen, sondern die Charaktere auch daran teilhaben zu lassen. Wenn Protagonist:innen gerade nicht in der Nähe und/oder involviert sind, dann gibt es zwei Möglichkeiten: Den Plot umschreiben, sodass sie doch involviert sind, oder die Perspektive auf weitere Charaktere ausweiten. Sollte es sich um eine Actionszene handeln, die Protagonist:innen vor dem Start der Handlung erlebt haben, bietet sich außerdem eine Rückblende an. Alle Lösungen haben ihre Tücken, aber alles ist besser, als die Handlung immer nur aus zweiter Hand zu erfahren und mit Mimi auf dem Sofa im Erzählnirvana zu versauern.

Keine Lösung ist es wiederum, wenn der:die Hauptprotagonist:in bei allem Gegebenheiten nur ein Mitläufer oder Stehrümchen ist, also praktisch ein:e Beobachter:in ohne Einfluss. Dann hat man eventuell verfehlt, wer eigentlich Held:in der Geschichte ist.

Verorte Protagonist:innen nicht charakterlich, beschreibe sie

Es gibt sie: Diese Menschen, die immer gern darüber reden und weiträumig ausschweifen, wie sie denn nun eigentlich sind. Sie bezeichnen sich selbst als Vordenker, als Rebellen, als Intellektuelle, als „aufgeklärt“, als „kritisch“… und am Ende steckt nicht viel dahinter.
Im wahren Leben mögen einem solche Menschen ein bisschen auf den Geist gehen. Aber sie werden absolut unerträglich, wenn sie einem von einer halbgaren Handlung aufs Auge gedrückt werden.

Franz-Walter war unheimlich klug und der beste Abteilungsleiter, den seine Firma je gesehen hatte. Er hatte sein Wirtschaftsstudium mit Auszeichnung beendet und hatte seitdem nicht aufgehört, Erfolg um Erfolg einzuheimsen.

Woraufhin Franz-Walter dann den Rest der Handlung damit verbringt, offensichtliche Probleme zu übersehen oder mit der Eleganz eines Ochsenfrosches zu lösen. Er verbleibt in dieser ganzen Zeit in seiner drögen Abteilungsleiterposition und sitzt sich den Arsch im Büro platt.

Das wäre ein gutes Beispiel dafür, dass Erzählung und Präsentation nicht zusammenpassen. Aber auch ohne den Beweis, dass Franz-Walter eben nicht so toll ist, hat der Satz eine spezifische Wirkung auf Leser:innen: Es stellt sich ein gewissen Gähnen ein. Die Sache ist nämlich die: Leser:innen wollen sich gern ein eigenes Urteil über Charaktere bilden. Wenn Erzähler:innen sofort einschreiten und Leser:innen erklären wollen, wie dieser Charakter ist, wirkt das ungefähr so überzeugend wie der Satz: „Ey ich bin total sensibel, du Arschloch!“
In diesem Fall würde „Show, don‘t tell“ sagen: Erzähle Leser:innen nicht, wie ein Charakter ist. Zeige ihnen, was ein Charakter tut und lasse zu, dass sie sich ein eigenes Bild von diesem Charakter bilden. Wenn Franz-Walter klug ist, dann wird er das durch die Handlung unter Beweis stellen. Es ist keine lange Ankündigung dafür notwendig.

Das ist übrigens auch der Grund, warum ich Charaktersteckbriefe, die Charaktere so fest einordnen, sehr kritisch sehe: Sie verführen dazu, dem Charakter eine sehr sichtbare und sehr festgelegte Interpretation und Verortung zu geben. Die kommt aber nicht durch einen Charakterbogen zustande, sondern das, was ein Charakter am Ende tut. Gut, Glivandulin der Elf ist angeblich ein Freund der Natur und liebt alles Lebende. Aber warum hackt er dann im Laufe der Handlung dutzendweise Bäume um, wirft seine Batterien in einen Teich und benutzt zu viel Raumspray?

Die andere Seite dieses Schweinemedaillons der schlechten Charakterisierung sind Eigenschaften, die für Charaktere absolut keine Rolle spielen.

Matthew war ein sehr liebevoller Mann, der in Beziehungen immer alles gab.

Matthew ist den Rest der Handlung aber nicht in einer Beziehung. Matthew lebt einsam auf einem Mond, und seine Geschichte dreht sich darum, wie er eine neue Lebensform, das Mondgummibärchen, entdeckt. Es könnte uns nicht egaler sein, ob Matthew in einer Beziehung alles gibt, weil er keine Beziehung hat. Die Lösung ist hier also entweder: „Show, don‘t tell“, oder: „Don‘t tell at all.“ Oder kurz: Zeig uns, dass Matthew in Beziehungen liebevoll ist, oder erzähl uns einfach prinzipiell nichts davon. Behauptungen, die am Ende nichts aussagen, kann man sich simpel sparen.

Die häufigsten falschen „Show, don‘t tell“

Es gibt natürlich einen guten Grund, warum viele „Show, don‘t tell“ als Ratschlag so verabscheuen. Wir haben zu Anfang festgestellt, dass die Präsentation von Handlung langwieriger und schwammiger ist. Während es Situationen gibt, in denen eine Präsentation die Story verbessern würde, gibt es auch solche, in denen sie die Handlung knirschend anhalten würde. Leider kennen zu wenige hilfreiche Tippgeber den Unterschied. Manchmal beruht die Wiedergabe dieser Aufforderung auch auf einer Falschinterpretation von „Show, don‘t tell“. In dem Fall ist das Problen nicht der Mangel an Präsentation, sondern liegt irgendwo anders und wird nur falsch interpretiert.

Wann wird „Show, don‘t tell“ oft fälschlich angebracht?

Wenn die Erzählung selbst zu kurz gerät: Die Erzählung passt an der Stelle, aber sie ist einfach zu knapp, um den tatsächlichen Sachverhalt richtig wiederzugeben. Die Lösung ist dann nicht Präsentation, sondern eine Ausarbeitung der Erzählung, um Leser:innen besser mitzunehmen.

Wenn keine Stimmung entsteht: Auch Erzählungen können sehr starke Stimmungen vermitteln, haben dafür aber weniger Raum. Das heißt allerdings nicht, dass man zwingend auf Präsentation umschwenken muss. Auch hier ist eine Ausarbeitung notwendig.

Wenn die Interpretation der Erzählung schwammig ist: Manchmal fehlen in einer Szene ganz spezifische Details oder Nuancen, um aus der Erzählung auch den Sinn herauszuholen, der für den Fortgang der Handlung notwendig ist. Das heißt aber nicht, dass man diese Nuancen zwingend präsentieren muss. Sie können auch einfach früher, oder, wenn man Leser:innen ein bisschen triezen will, später einfließen. Leser:innen zu verwirren ist nämlich, auch wenn so manche selbsternannte Expert:innen das nicht glauben wollen, kein Kapitalverbrechen.

Wann ist „Show, don‘t tell“ keine Lösung?

In manchen Situationen kann die Präsentation im Gegensatz zur Erzählung auch schädlich sein. Selbst wenn es zunächst so erscheint, als könnte man die Handlung insgesamt damit anreichern, kann das ein Trugschluss sein. Hier sind die häufigsten Gründe, warum man manchmal bei einer Erzählung bleiben sollte:

Der gelbe Plastikflamingo

Hier haben wir es weder mit einem roten Hering (Red Herring) noch mit Checkovs Gun zu tun. Präsentation, die keinem Zweck folgt, lenkt im schlimmsten Fall den Fokus der Leser:innen auf Szenen und Beschreibungen, die später völlig unwichtig werden. Stellen wir uns vor, ein Krimi zeigt uns einen Ermittler, der das Haus einer ermordeten Person untersucht. Die Handlung erzählt uns knapp zusammengefasst, dass er alle Räume durchsucht, und nichts findet. Dann, schlagartig, wechseln wir in die Präsentation. Es wird beschrieben, wie der Ermittler vor das Haus geht und im Garten der Nachbarn einen gelben Plastikflamingo sieht. Er denkt eingehend darüber nach, warum er gelb ist, wir verweilen eine Weile bei seinen Gedanken, und dann, zack: Vorbei. Der Flamingo kommt nie wieder vor. Aber in den Gedanken der Leser:innen hat diese Szene einen Fokus bekommen, weil der Wechsel von Erzählung zu Präsentation stattgefunden hat und bestimmte Details eingehend beleuchtet wurden.

Die erste Intention wäre hier möglicherweise, diesen Abschnitt einfach zu streichen. Das ist aber nicht zwingend notwendig, vor allem, wenn die Inklusion unseres Plastikflamingos einen Zweck verfolgt: Nämlich, die Nachbarschaft als ein bisschen kitschig darzustellen. Solche Beschreibungen reichern auch Erzählungen an. Der Wechsel in die Präsentation setzt hier den störenden Fokus, der ablenkt und in eine falsche Richtung führt.

Der Sand im Getriebe

Geschichten brauchen Zeit und Worte, um die Handlung zu transportieren. Erzählung ist, wie ich schon mehrfach ausgeführt habe, meistens effizienter darin, Sachverhalte schnell und klar zu transportieren. Manchmal ist es simpel notwendig, den Fortgang der Handlung zu erzählen, weil das Werk sonst nicht nur zu lang, sondern auch zu zäh wird. Der Fokus der Präsentation sollte auf eindrücklichen Geschehnissen liegen statt das ganze Werk zu fluten. Wie schon erwähnt ist die Balance immer unterschiedlich: Manche Autor:innen erzählen mehr Handlung, andere präsentieren mehr davon.

Das Schlagloch

Eine ungünstig platzierte Präsentation kann im schlimmsten Fall auch die gerade sinnvoll fließende Erzählhandlung knirschend zum Halt bringen, nur um dann wieder mühsam anzulaufen. Manchmal ist es eben doch gut, wenn Protagonist:innen eine Handlung nicht dadurch reflektieren, dass sie sie direkt erleben, sondern dadurch, dass sie sie später nacherzählen. Solche Rückblenden sind für die meisten Leser:innen keine Herausforderung und gehören selbst bei linearen Erzählungen zum ganz normalen Repertoire. Sie schaffen so die Freiheit, eine Handlung von A nach B kurz zusammenzufassen und dann im Nachhinein einen Teil davon zu erzählen, der besonders herausstach.

Nehmen wir an, zwei politische Fraktionen in einer Geschichte debattieren über viele Tage hinweg heftig über ein Problem. Mitten in dieser Debatte finden sich zwei Fraktionsmitglieder in einem Privatgespräch, das für die Handlung von großer Bedeutung ist und beide charakterisiert. Eingequetscht zwischen zwei Teile der Erzählung könnte es die übergreifende Erzählung stoppen, nur um sie dann wieder anlaufen zu lassen. In dem Fall kann es sinnvoll sein, diese Präsentation auszulassen und die Charaktere später wieder zusammenfinden zu lassen, um sich über dieses Gespräch noch einmal auszutauschen. Wir bekommen dann nicht die Situation, die sich direkt zwischen den beiden abgespielt hat, sondern eine Nacherzählung und Wiedergabe der Ereignisse. Das ist aber in dem Fall legitim und besser für den Lesefluss. (Manche greifen an dieser Stelle zu einer echten Rückblende, die ebenfalls bei vielen verhasst ist. Dazu werde ich vermutlich auch noch einen Beitrag schreiben.)

Eine Präsentation sollte als auch immer so gewählt werden, dass sie den Handlungsfluss berücksichtigt.

Fazit

„Show, don‘t tell“ ist, wie so viele Schreibregeln, kein Wunderwerkzeug. Als Tipp im richtigen Moment kann man eine Handlung damit verbessern und bereichern. Im falschen Moment kann die Befolgung wiederum den Fluss einer Story behindern oder sogar völlig blockieren. Beide Formen, Präsentieren und Erzählen, existieren nur zusammen, gehen fließend ineinander über und sollten in einer Geschichte harmonisch ineinander greifen.

Aber wie immer: Alles kann, nichts muss. Vielleicht hat Samuel 2021 seinen Toast endlich aufgegessen. Er hat sich dann doch für Blutwurst entschieden, weil die Mutter seiner Großmutter zu sagen pflegte: „Junge, eine gute Blutwurst-

2 Kommentare

  1. Eine wirklich gute Zusammenfassung! Vielen Dank, erst Dank deiner Formulierungen habe ich einige meiner vagen Gefühle, die ich dieser Schreibregel

    entgegenbringe, selbst so richtig verstanden.

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